Zugegeben, die Aussicht den Samstagabend in einer Kirche zu verbringen, mag nicht jedermanns Vorstellung eines erlebnisreichen Wochenendes entsprechen und zugegeben, nicht jeder würde sich als großer Fan der klassischen Oper bezeichnen.
Auch in der Fanbase von Fady Maalouf gehören die erklärten Freunde der Oper mitnichten zur Mehrheit, ganz im Gegenteil.
Dies schienen also nicht wirklich optimale Voraussetzungen für das Release-Konzert von Fadys neuem Album „Indigo“ zu sein, aber ob nun die Neugier gesiegt hatte, oder man einfach gewöhnt ist, dass dieser Künstler zwar immer für Überraschungen gut ist, aber niemals das Publikum enttäuscht – am Samstagabend strömten die Fans wie gewohnt in die Location, diesmal eben die wunderschöne Kirche „Maria unter dem Kreuz“ in Berlin.
Auch viele neue Gesichter waren auszumachen, offenbar hatte die Ankündigung von religiöser Musik und Crossover in männlicher Sopranstimme auch neues Publikum angesprochen.
Einmal mehr wurde der Sänger von seinem bewährten Akustik-Trio, den hervorragenden Musikern Jan Stolterfoht (Gitarre), Simon Anke (Keyboard) und Volker Schlott (Saxophon, Querflöte und Cajon) begleitet.
Gekleidet in ein selbstgestaltetes Glitzer-T-Shirt und dunkle Hosen mit korrespondierenden funkelnden Steinchen auf einem Bein, sang ein top gelaunter Fady zum Konzert-Auftakt „Autumn leaves“. Sehr passend, der Herbst ist ja schon deutlich im Anmarsch, auch wenn man wettertechnisch irgendwie immer noch auf den Sommer wartet.
Die Liebhaber seiner dunklen, kuschelwarmen Stimme kamen bei vielen Titeln aus seinen bisherigen Alben und Cover-Songs voll und ganz auf ihre Kosten, auch wenn die Stimme immer wieder einen kleinen Ausflug in schwindelnde Höhen machte.
Nichts Neues also?
Von wegen: mit „Swan Lake“ (genau, die Hauptmelodie aus dem weltberühmten Ballett von Tschaikowsky) stimmte Fady den ersten Titel des neuen Albums an. Der Zauber der Geschichte des verwunschenen Schwans schien auch diese Ausnahmestimme völlig zu entfesseln und das Publikum mit einem Bann zu belegen. Manch einer mag mit vor Staunen offenem Mund reglos dagesessen sein, unfähig sich vor dem allerletzten Ton noch zu rühren.
Der Künstler meinte nach dem tosenden Applaus nur verschmitzt: „Hoffentlich habe ich euch jetzt nicht traumatisiert“.
Das bestimmt nicht, aber vielleicht mit einer Art Virus infiziert, so dass man plötzlich sehnsüchtig auf einen weiteren Beitrag in Sopranstimme hoffte.
Eine Kirche war natürlich nicht nur des fantastischen Klangs wegen für diesen Album-Release auserkoren worden, denn dieses beinhaltet auch zwei christliche Lieder, nämlich die zwei wohl bekanntesten Gebete des Christentums, „Vater unser“ und „Gegrüßt seist du Maria“, wofür Fady Maalouf neue Melodien komponiert hatte. „Notre père“, notabene auf Französisch und „Ave Maria“ auf Arabisch gesungen, gaben den fast zwei Jahrtausende alten Gebeten nebst den interessanten Arrangements einen modernen Anstrich.
Als weiteres Highlight entpuppte sich „Amazing grace“, weiß Gott auch kein neues Lied, aber in dieser Form der Zwiesprache einer ausdrucksstarke Stimme mit einem grandios gespielten Saxophon, erreichte es eine außergewöhnliche Intensität, die durch die besondere Atmosphäre der Kirche wohl noch verdichtet wurde.
Die Setlist enthielt durchaus auch peppige Songs, wie etwa „Sweet dreams“ im Reggea-Rhythmus, „Save my day“ oder „Black velvet“, alles ein bisschen ruhiger als gewöhnlich, der heiligen Stätte geschuldet. Allerdings konnte gerade „Black velvet“ nicht verleugnen, dass dieser Interpret sich mit ebensolcher Hingabe auch in anderen Musikstilen präsentieren kann.
Mit dem Kernstück des neuen Albums „Lascia ch’io pianga“, eine der berühmtesten Arien für Mezzo-Sopran, hatte Fady sich einen lange gehegten Traum erfüllt, zu dessen Realisierung mit Sicherheit jahrelanges Stimm-Training notwendig war. Und der Virus wirkt: plötzlich hat man einen neuen Ohrwurm, auch wenn man sich das im Vorfeld nicht hätte träumen lassen. Dieser nistet sich beim Hören der CD dann erst recht ins Ohr ein, da dort die klassischen Arien mit sanften Pop-Rhythmen arrangiert sind.
Ob sich spezifische Opernliebhaber dafür begeistern können, dürfte auf die persönliche Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber ankommen, aber ganz sicher zieht der Künstler einmal mehr für sein Publikum einen Vorhang auf, um es in weitere Tiefen der magischen Welt der Musik zu führen.
Das Konzert wurde vom Publikum mit Standing Ovations gewürdigt und als Zugabe war eine weitere Besonderheit vorbereitet worden: „Panis angelicus“ mit Begleitung der großen Kirchenorgel bildete den Abschluss eines denkwürdigen Abends.
Zur Freude der Besucher signierte der Künstler nach dem Konzert geduldig sein neues Album „Indigo“ und fand trotz ziemlichem Andrang für jeden Einzelnen ein paar persönliche liebe Worte.
Am 2.12.2017 gibt Fady Maalouf ein weiteres Konzert „Christmas Spirit“ in der katholischen Kirchengemeinde Maria unter dem Kreuz
Hildegardstrasse 3a, 10715 Berlin
photo-credit: H. Gechter