Ein Virus, Ausgangssperre – nein, wir reden nicht von März 2020 in Deutschland. Wir befinden uns in der Millionenstadt, der Heimat von TKKG. Durch einen Virus, der zu einer Ausgangssperre führt, in ihre Wohnungen eingesperrt können die Freunde nur online den Kontakt Aufrecht erhalten, und unterhalten sich via Videokonferenz. Dann bekommt Karl einen Anruf: sein Freund Yannic bittet ihn um Hilfe. In einem Onlinespiel wurde ihm sein gesamtes Gold geraubt. TKKG ist direkt Feuer und Flamme – endlich die Möglichkeit wieder zu ermitteln. Sie begeben sich in das Computerspiel, ins Bonn zur Zeit Beethovens – und dann begegnet ihnen ein Avatar, der den jungen Ludwig van Beethoven darzustellen scheint …
Bei TKKG bin ich dabei – also musste ich das Stück natürlich sehen. Und schon beim Ticketkauf wurde eine Besonderheit sichtbar: es gab sowohl Tickets für das Stück vor Ort als auch Tickets für die jeweils zeitgleich stattfindende Online-Streaming-Vorstellung. Ich habe mir beides gesichert und bin dann erst einmal am zweiten Vorstellungstag nach Bonn gefahren. Diesmal nicht in die eigenen Räume des Theaters sondern in das Telekom Forum. Ich war früh dran, konnte aber bereits – natürlich bis zum Platz erst einmal mit Maske – bereits in den Aufführungsraum. Auch hier sah man direkt nach dem Betreten des Raumes, dass dieses Stück anders sein würde als andere Stücke. Direkt vor den Sitzplätzen der Tisch für die Technik und die Regie. Die Bühne bestand aus einer Reihe mit sieben separaten „Zimmern“. Für den TKKG-Fan waren zumindest die Zimmer von Klößchen (mit schokoladenbezogenen Postern) und Tim (mit Pokalen und der Sporttasche) direkt erkennbar. Und über der Bühne eine große Leinwand, auf der beim Eintreten ein Computerspiel zu sehen war.
Jetzt vor der Vorstellung konnte man aber noch zusehen, wie ein Soundcheck durchgeführt wurde, wie Moritz Seibert und sein Regieassistent Oscar Kafsack – selber Teil des Nachwuchsensembles, und im letzten TKKG-Stück selber als „Tim“ dabei – mit den jungen Darstellern noch einige Punkte aus dem Stück durchgingen und wie sich die Jugendlichen dann mit einem Warm Up auf die Vorstellung vorbereiteten. Alleine das war schon etwas Besonderes, weil man diesen Teil bei normalen Theatervorstellungen nicht mitbekommt (wenn man sich dafür interessiert sollte man auf www.jt-bonn.de einmal unter dem Punkt „Stage Door“ stöbern – da hat das Junge Theater Bonn eine tolle Möglichkeit geschaffen, sich mit verschiedenen Bereichen des Theaters zu beschäftigen und hinter die Kulissen zu schauen).
Dann sprach Intendant Moritz Seibert mit dem Publikum und erzählte etwas über die besondere Art des Stückes und die Entstehung dieser Art einer Inszenierung. Denn dieses Stück wird sowohl live gespielt als auch direkt live wie ein Film auf den Endgeräten der Zuschauer geschaut, die sich nicht in ein normales Theater setzen möchten oder können. Dazu dankte er auch Sponsoren wie der Telekom, denn dieses Stück ist technisch wesentlich aufwendiger und dadurch auch teurer als eine normale Produktion. Dann erzählte er von der Grundüberlegung, wie man ein Theaterstück realisieren kann, ohne dass sich die Leute treffen müssen, ein Stück, dass zur Not bei einem weiteren Lockdown auch gespielt werden kann, wenn die Schauspieler dazu nicht im Theater zusammenkommen können. Dabei kam die Idee auf, dass die Darsteller ebenfalls über Video miteinander kommunizieren. Jeder sitzt allein in seinem Zimmer, und der Kontakt ist rein virtuell. Für die Stückentwicklung fanden sich schnell einige Jugendliche, die an der Stückentwicklung aktiv beteiligt waren. Und passend zum Beethovenjahr sollte natürlich auch der große Komponist eine Rolle spielen. Dazu wurde im Spiel Mindcraft eine Welt aus der Jugendzeit Beethovens erstellt. Der Bonner Schauspieler Simon Boer und die Stargeigerin Anne-Sophie Mutter konnten für die Mitarbeit gewonnen werden. Und so entstand dann das Stück, das ich live vor Ort sehen wollte.
Die TKKG-Freunde telefonieren per Videokonferenz miteinander, und natürlich haben sie mit den vielen bekannten Problematiken zu kämpfen. Homeschooling, ein Vater in Quarantäne, eine Mutter in Kurzarbeit, die nervende Cousine, die es während der Ausgangssperre zu einem verschlagen hat – das dürfte der ein oder andere Zuschauer kennen. Als dann der Karls Freund Yannic sie bittet, ihm zu helfen, weil er in einem Online-Spiel bestohlen wurde, ist das eine willkommene Abwechslung. Die Freunde legen sich Avatare zu und begleiten Yannic durch das virtuelle Bonn im Jahr 1786. Dort treffen sie auf Yannics virtuellen Freund Ludwig van Beethoven, der zu der Zeit selber noch Jugendlicher ist und keine Ahnung hat, dass er mal ein weltbekannter Komponist werden wird. Hier sieht der Zuschauer sowohl in kleinen Fenstern die Freunde, die beim Spiel weiter zoomen, sondern auch den Weg ihrer Avatare durch das Spiel.
Ich fand es sehr spannend zuzusehen, wie auf diese Art die virtuelle und reale Welt verwoben wurde. Selbst habe ich von Computerspielen keine Ahnung, sie haben mich nie interessiert. Dennoch hat es mich sehr gefesselt, insbesondere die Darstellung des alten Bonns. Sehr schön fand ich auch, dass der Darsteller, der den Beethoven-Avatar spielte, wirklich selbst auch Beethovens Musik auf dem Klavier spielte. Die Videoschaltungen zu Simon Boer als Kommissar Glockner passten gut ins Konzept. Und auch der Gastauftritt von Anne-Sophie Mutter, die als Musikexpertin hinzugezogen wird, hat mir gut gefallen. Der Fokus lag für mich aber auf der großartigen Leistung der insgesamt 8 jungen Schauspieler, die – wie ich es beim Jungen Theater Bonn immer wieder erlebe – auf höchstem Niveau spielen und den Zuschauer durchgehend fesseln. Zumal neben dem Corona-Thema auch andere Themen wie Mobbing und Homophobie angesprochen werden. Die Kombination von Livetheater und der Videoinszenierung war ungewöhnlich und ich war sehr skeptisch. Doch es war ein fantastisches Erlebnis, dass sich mit nichts vergleichen lässt. Es fühlt sich nicht an wie Theater, und es fühlt sich nicht Kino an. Und schon gar nicht wie ein Livestream im Internet. Es ist eine Mischung aus dem Besten von allen Formaten und ich war von der ersten bis zur letzten Sekunde vollkommen dabei. Und der Song über das „Hängebauchschwein“ hat definitiv Ohrwurmqualität…
Wer also TKKG mag oder einmal wieder Theater erleben möchte, wer sich auf etwas Neues, ein innovatives Konzept und ein großartiges Stück einlassen möchte, wer erstklassige Schauspieler sehen möchte – der sollte schnell sein! Denn das Stück läuft nur noch bis zum 13. September 2020. Tickets sowohl für die Vorstellungen vor Ort als auch für den Livestream bekommt man auf der Homepage des Jungen Theater Bonns www.jt-bonn.de. Ich selbst bin aus dem Forum gegangen und habe mir direkt das nächste Ticket gekauft. Nutzt die Chance und erlebt es selbst! Ich kann es nur jedem empfehlen.
Text: Mic Neumann – Fotoquelle: Junges Theater Bonn