Neneh Mariann Karlsson, seit Jahrzehnten besser bekannt als Neneh Cherry, meldet sich am Freitag mit ihrem fünften Solo-Studioalbum Broken Politics zurück. Sie macht damit ein unmissverständliches Statement in turbulenten Zeiten: Auf den bisher veröffentlichten Singles, aufgenommen mit ihrem Produzenten Kieran Hebden (Four Tet), bezog sie u.a. zur Flüchtlingskrise in Europa („Kong“) sowie zum Problem Waffengewalt („Shot Gun Shack“) Stellung. Heute, wenige Tage vor der Albumveröffentlichung, legt die in Stockholm geborene Sängerin ein weiteres Doppelpack nach: Die Singles „Synchronised Devotion“ und „Natural Skin Deep“ sind ab sofort erhältlich. Insgesamt vereint das Album Broken Politics, das komplett von Hebden produziert wurde, 12 neue Titel.
Das nächtliche „Synchronised Devotion“ ist gerade deshalb so umwerfend, weil Cherry hier komplett auf Beats verzichtet und stattdessen auf Klavier und Vibraphon setzt. Am Mikrofon verbindet sie nahtlos Rap-Passagen mit freier Gedankenassoziation und gesungenen Parts – wobei die Textzeile „it’s my politics living in a slow jam“ durchaus den Ansatz ihres kommenden Albums auf den Punkt bringt.
Auch mit diesem bewegenden neuen Vorboten unterstreicht die Schwedin, wie einzigartig die Zusammenarbeit mit Kieran Hebden war. „Für mich war das eine der besten Schreibphasen seit langer, langer Zeit“, so Cherry. „Endlich konnte ich diese Warteposition verlassen und mich bewegen, zum Kern vordringen.“ Auch die Tatsache, dass die Aufnahmen in den Creative Music Studios in Woodstock im US-Staat New York stattfanden, dem Studio des deutschstämmigen Jazzpianisten Karl Berger, entpuppte sich als goldrichtige Wahl.
Besagte Ortswahl ist dabei keinesfalls zufällig, denn es gibt eine ganze Reihe von biografischen Überschneidungen, Parallelen und ein damit verbundenes Gefühl von „Synchronizität“ (daher „Synchronised Devotion“): Karl Berger nämlich hat auf vielen Alben von Nenehs Stiefvater Don Cherry Vibraphon gespielt (u.a. auf dem Minimalismus-Meilenstein „Köln – February 23, 1975“, aufgenommen von Terry Riley, Don Cherry und Karl Berger) – und nun steuerte er auch bei diesem neuen Track das Instrument bei. „Im Studio fühlte sich alles daher absolut vertraut und familiär an“, so die Sängerin.
„Es war dort ganz einfach, in mich hineinzuhorchen und die Gefühle aufzuspüren, die wichtig waren, um mich auf die jeweiligen Stücke einlassen zu können. Abends aß ich dann zusammen mit (seiner Frau) Ingrid und Karl, wobei sie mir Geschichten von meinem Vater erzählten.“
Auch mit der zweiten neuen Single „Natural Skin Deep“ schlägt Neneh Cherry eine vergleichbare Brücke in die Vergangenheit: Der ganz anders geartete, treibende und mit massiven Breaks durchzogene Jazz-Rap-Track, der heute via Adult Swim Premiere feiert, basiert u.a. auf einem Sample von Ornette Colemans „Growing Up“ aus dem Jahr 1969 – ein Stück, das Four Tet auch deshalb gewählt hat, weil Don Cherry in diesem Fall am Kornett zu hören ist. Neneh teilt im Text derweil knallhart aus und rechnet mit Kolonisierung und Landnahme ab:
„Here’s one for The Great Sioux Nation/Bla bla bla for a generation/no living on station/pumping that black gold over the hill/recycle evolution while killing free will, free will“.
Das dazugehörige Album Broken Politics erscheint am Freitag bei Smalltown Supersound/AWAL Recordings. Das Cover des Longplayers hat der Turner Prize-Gewinner Wolfgang Tillmans fotografiert. Der Künstler und Fotograf, weltberühmt u.a. für seine Arbeiten über die Berliner und Londoner Club- und Schwulenszene, gilt als wichtigster Chronist seiner Generation.
Neneh Cherry Live:
02.11.2018 Hamburg – Überjazz / Kampnagel
19.02.2019 Köln – Kulturkirche
20.02.2019 Berlin – Festsaal Kreuzberg
QUELLE: BEATS INTERNATIONAL | photo: Wolfgang Tillmans